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Poison Dwarfs
Labil
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CD / Timezone Records / 2012


POISON DWARFS, das ist nach eigener Darstellung eine typische
Kassettenband, die sich im aufkeimenden Tapesektor der 80er-Jahre
herumgetrieben hat – also einen gewissen dilettantischen Ansatz mit der
aus dem Punk stammenden 'anything goes'-Attitüde gepaart hat. Zunächst
von HANS CASTRUP und HELMUT WESTERFELD im Jahr 1980 gegründet, wagte man
die ersten Gehversuche mit einer ins Krautige ragenden Melange aus
Gitarrenklängen und experimenteller Elektronik, die unter echten
Homerecording-Bedingungen mittels einfachster Technik aufgezeichnet
wurde.

Die ersten Tapes werden veröffentlicht, und ab 1983 dreht
sich auch das Besetzungskarussell. Nach einigen Tapes und einer LP wird
das Projekt schließlich 1990 zunächst eingestellt. Vor zwei bis drei
Jahren beginnt man allerdings wieder mit ersten Aktivitäten, die zu
Wiederveröffentlichungen und 2011 zur Teilnahme an der VINYL ON DEMAND-Box
„German Punk & Wave 1978 – 1984 Vol.1“ führen. Zur Geschichte der
Band sei an dieser Stelle auch auf ein Interview in der aktuellen Edition Blechluft Nr. 6 verwiesen. 

Mit
„Labil“ legen die POISON DWARFS in der Besetzung HANS CASTRUP und RALF
DLUBATZ, der seit 1983 zur Band gehört, nun ein gänzlich neues Album
vor, das nicht den Charme der beginnenden 80er Jahre in sich trägt,
sondern die Entwicklung der Musik in den letzten Jahrzehnten sowie die
eigene musikalische Entwicklung der Bandmitglieder integriert. Dabei
vermeidet man es aber, sich musikalisch irgendwo anzubiedern oder am
Ende noch irgendwelchen Trends hinterherzulaufen, was zumeist ohnehin
nicht funktioniert. Auch die Aufnahmetechnik entspringt nicht mehr dem
(genialen) Di(l)let(t)antismus, sondern zeigt sich auf dem heutigen
Stand der Technik – für alles andere würde wohl auch zurecht das
Verständnis fehlen. 

Sollte man das Album in groben Zügen
beschreiben wollen, so könnte man die Musik als eine Mischung aus
Avantgarde-Klängen, Industrialelementen und Hörspieleinsprengseln
bezeichnen. Gerade das Titelstück „Labil“ vermittelt dabei sehr gut all
diese Facetten, wenn ein eher ruhiges, mit vorsichtigen Pianoklängen
umwehtes Stück in einen plötzlichen industriellen Ausbruch abkippt –
also geradezu den Moment beschreibt, wenn der labile Charakter aus der
behüteten Welt gleich direkt ins Chaos stürzt. Mit Industrialanleihen
wartet ebenfalls das letzte Stück „Some Sort Of Content“ auf, das aus
metallischem Schlagen, Stimmensamples und später langen
E-Gitarrenanschlägen und Schlagzeugeinsätzen aufgebaut wurde. „Skid Row“
wartet dagegen eindrucksvoll mit einer elektronischen 16tel-Basssequenz
auf, über die ein hektisches Schlagzeug gelegt wird. Ausgeweitet wird
das Soundbild schließlich noch mit E-Gitarren-Spuren. Überhaupt
E-Gitarren: Eher psychedelisch, krautig geht es in „Parade“ oder „Hans
im Glück“ zu, wohingegen „Do It Again“ mit vertrackten
Schlagzeugrhythmen, Bass und einem leicht nölenden Gesang daherkommt.
Sogar für eine Art düsteres Volkslied ist mit „Es ist ein Schnitter“
Platz, in dessen Hintergrund elektronische Flächen mäandern, über die
eine simple Melodie gelegt wurde. 

Richtig angetan haben es mir
allerdings „Oh, Yes“ und „I Do Like This“, die beide eher ruhig
ausfallen und im Wesentlichen mit Piano, Bass, Elektronik und stimmigem
Gesang ausgestattet wurden. Insgesamt recht zurückhaltend arrangiert,
entwickeln sich zwei wunderschöne, melodische, fast schon verträumt zu
nennende Stücke, die den Hörer zu packen wissen. In eine ähnliche
Richtung geht auch der überzeugende, ruhig-symphonische,
melancholisch-dramatische, sich in der Spannung steigernde Opener
„Transit Town“. 

Auf diesem Album ist alles dabei: eine sehr
abwechslungsreiche, ausgereifte Soundanlage, variabler,
überdurchschnittlicher Gesang, ein gutes Gespür für interessante Ideen
und Konzepte sowie die Wahrung des eigenen etwas unbequemen Klangerbes.
Eine Rückkehr auf diesem Niveau ergibt insofern Sinn. Und da man eine
richtige Kassettenband ist, gibt es auch noch eine Sonderauflage von 50
Stück – natürlich auf Kassette.